Ein Ausflug ins Paris des 18. Jahrhunderts: Die Schüler*Innen der Eb haben dieses Gedankenexperiment gewagt, um bei der Geburt von Jean-Baptiste Grenouille (dem Protagonist von Süskinds Roman „Das Parfum“) zugegen zu sein
Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in der Nähe des Geburtsortes von Grenouille. Formulieren Sie Ihre Eindrücke in einem inneren Monolog. Vielleicht werden Sie Beobachter der Geburt Grenouilles?
Der Beutel in meiner Hand schneidet immer tiefer ein, man müsste ja denken, dass dies ab einem gewissen Grad von Hornhaut und festem, weißem Narbengewebe auf den Handinnenflächen nicht mehr möglich sei, doch meine Hände und die dünne Kordel in ihnen beweisen erneut das Gegenteil. Margarete, die Köchin unserer Institution, hat mich in dem Auftrag losgeschickt, Fische zu kaufen. Natürlich mit wenig Geld im Beutel. Sie kommt kaum raus, weiß nichts von den immer weiter steigenden Preisen bei immer minderwertigerer Qualität. Als Tochter eines Fischers, die vor ihrem Dienst als Krankenschwester im Elternhaus für die Zubereitung der frischgefangenen Ware zuständig war, tut es mir im Herzen und vor Allem in der Nase weh, all die halbvergammelten Fischkadaver für teures Geld als Frischfang angeboten zu bekommen. Ein Blick auf all die Stände genügt, um zu wissen: Hier werde ich keinen Fisch bekommen. Die paar Münzen von Margarete werden nie und nimmer reichen. Sie wird sauer sein. Verzweifelt. Der Chefarzt wünschte heute eine ganz besondere Mahlzeit und nur wegen mir – und mangelnder finanzieller Unterstützung – wird er wieder nur eine dünne Suppe, ohne Fleisch – ohne Fisch – und ohne Nährstoffe bekommen. Wenn das so weitergeht, werde ich meine Lehre nie beenden und mehr als den aktuellen Verhungerlohn bekommen können, da der Chefarzt das heutige Fauxpas sicherlich mir vorwerfen wird. Gerade möchte ich mich frustriert von den Ständen abwenden, da fällt mir eine Frau ins Auge. Schmerzverzerrt lässt sie den Fisch, den sie gerade noch abschabte, auf die Tischplatte vor sich fallen, fasst sich auf den Bauch und lässt sich auf den Boden sinken. Obwohl ich die junge Frau nur kurz sehen konnte, ist mir klar, dass sie schwanger ist. Nicht schwer zu erkennen in diesen harten Zeiten, in denen man nur einen Bauch hat, wenn man Kaufmann, adlig oder schwanger ist, und auf besagte Dame kann nur letzteres zutreffen. Margarete hat mir verraten, dass viele Frauen, die einen Bastard gebären, dies versteckt auf Marktplätzen oder im eigenen Hause tun, um den Schwestern im Hôpital nicht erklären zu müssen, wie es zu jenem Unfall kam und sich den Konsequenzen ihres sündhaften Handelns nicht stellen zu müssen. Zu jenen Frauen gehört wohl auch Besagte, unter deren Tisch ich nun eine klare Flüssigkeit hinausquellen sehen kann. Die Lache bleibt unbeachtet, niemand außer mir scheint den Vorgang zu bemerken, oder sind dies hier alle gewohnt?
Der Frau kann ich nicht helfen. Zum einen ist dieser Geburtsort ihre eigene, freie Entscheidung, zum Anderen bin ich nicht sicher, ob ich ihre Schuld auf mich lade, wenn ich ihr trotz besseren Wissens zur Hand gehe. Was ich aber weiß ist, dass sie nicht bemerken wird, ob ein vergammelter Fisch mehr oder weniger auf dem schmuddeligen Tresen liegt und so raffe ich meinen Rock, damit dieser nicht mit all den verschiedenen Sekreten auf dem Boden des Marktplatzes in Berührung kommt, von denen Fruchtwasser wahrscheinlich noch am reinlichsten ist, und überquere den Marktplatz.
Am Stand der Gebärenden lasse ich zwei Fische in meinem Beutel verschwinden und laufe weiter, in dem belastenden Wissen, ebenfalls eine Sünde begangen zu haben. Nun, wo auch ich durch Angst und drohenden Hunger zu einer Sünde getrieben wurde, sollte ich der Frau vielleicht doch helfen? Eine Geburt ist gefährlich, vor Allem ohne Hilfe, und vielleicht hat auch sie gute Gründe gehabt, die Geburt eines unehelichen Kindes in Kauf zu nehmen? Als ich mich endlich dazu durchringe ihr zu helfen, bin ich schon einige Straßen weitergelaufen. So schnell wie mir möglich ist eile ich zurück, nur um Beobachterin eines grausamen Vorgangs zu werden. Ein Mob schleppt die gewordene Mutter vom Platz, begleitet von der Polizei. Sie wollte das Kind auf dem Marktplatz verrecken lassen, weshalb ich ihr nun gönne, all die Qualen der Geburt alleine durchgestanden zu haben und ich merke, wie die schwere Last der Sünde von mir abfällt.
Der jungen Frau hätten die Fische sowieso nichts mehr genutzt.
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