Ein Burggespräch der wirklich besonderen Art durften wir vor den Osterferien im März erleben.
Am Bahnhof in Echzell begrüßte ich Frau Raphaela Marinho, die gut gelaunt und fröhlich aus dem Zug von Friedberg / Frankfurt sprang. Die vorangegangene Nachtwache als Ärztin im Katharinen Krankenhaus Frankfurt war ihr nicht anzusehen. Ebenso fröhlich und auch überzeugend und bewegend sprach sie zu unseren Schülerinnen und Schülern über ihre Tätigkeit für ein Projekt im Swaziland für die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“. Mit eindringlichen Worten, eindrucksvollen Bildern, einer großen Wärme gepaart mit sachlichen medizinischen Erklärungen berührte Frau Dr. Marinho unsere Schülerschaft. Raphaela Marinho lebt seit 16 Jahren in Deutschland und studierte in Frankfurt Medizin mit der Fachrichtung Internistin. 2011 bewarb sie sich für ein Projekt bei „Ärzte ohne Grenzen“. Dies ist eine internationale Organisation, in den 70er Jahren in Frankreich gegründet mit der Aufgabe, in den weltweiten Einsatzgebieten humanitäre ärztliche Nothilfe zu leisten.
So lauten denn auch die Prinzipien von „Ärzte ohne Grenzen“:
Unabhängig- Unparteilich- Neutral. Die Aufgaben der Organisation sind die Basisgesundheitsversorgung, Ernährung , Behandlung, Wasserversorgung, chirurgische Hilfe und oft auch psychosoziale Hilfe. Die Haupteinsatzgebiete sind in Flüchtlingslagern, Naturkatastrophen-Gebieten und in von Epidemien heimgesuchte Gebieten. Außer Ärzten und Pflegepersonal benötigt die Organisation Logistiker, Apotheker, Labor-Angestellte und Techniker.
Für eine Bewerbung bei „Ärzte ohne Grenzen“ benötigt man 2 Jahre Berufserfahrung, gute Englischkenntnisse, mündlich und schriftlich sowie eine gute physische und psychische Stabilität. Die Tätigkeit umfasst mindestens ein Jahr, die Bezahlung ist wesentlich geringer als z.b. im Krankenhaus; Reise und Unterbringung werden jedoch bezahlt.
Frau Dr. Marinho wurde ein Projekt in Swaziland angeboten und sie nahm sofort an.
Swaziland ist das zweitkleinstes Land Afrikas, gelegen zwischen Mozambique u. Südafrika, mit 1.200 000 Einwohnern regiert von einer absoluten Monarchie unter Mswati III. Die Sprachen sind Englisch und Sizwati wobei die Bevölkerung zu 90% Swazis besteht.
In dem Land herrschen zwei große Epidemien: HIV und Tuberkulose; 26% der Bevölkerung ist erkrankt und somit weist das Land mit diesen Erkrankungen die traurige höchste Rate der Welt auf.
Durch die Immunschwäche HIV kann sich die Tuberkulose stark ausbreiten und die Lebenserwartung der Bevölkerung sank von 61 Jahren auf 31 Jahre.
Die Tuberkulose befällt vornehmlich die Lunge, wird durch die Luft übertragen und es folgen Fieber, Appetitlosigkeit und eine Abmagerung. Jedoch ist die Krankheit durch Antibiotika behandelbar, das Problem bilden multiresistente Bakterien.
Die Ziele von „Ärzte ohne Grenzen“ im Swaziland sind:
- Dezentralisierung von Behandlung (war früher nur in Städten möglich)
- Integration beider Krankheiten
- Verbesserte Diagnostiklabors
- Training medizinischen Personals
Das Projekt erstreckt sich auf 2 Gebiete: Matsapha und Mankayane.
Das langfristige Ziel ist eine breite medizinische Versorgung zu schaffen.
Matsapha ist ein Industriegebiet mit vielen Fabrikarbeitern, die oft schwere Arbeitsbedingungen haben und durch die Krankheit meist in sehr großer Armut leben.
Das Team von „Ärzte ohne Grenzen“ besteht hier aus 40 Mitarbeitern: Ärzten, Krankenschwestern u -Pflegern, Dolmetschern, Sozialarbeitern und weiterem Hilfspersonal.
Es wurde eine Klinik errichtet, die an 7 Tagen der Woche geöffnet ist.
Im Wartebereich werden Vorträge über Schutzmaßnahmen gehalten, täglich kommen um die 300 Kranken. Hier finden die Einwohner, so Marinho, auch eine Schwangerschaftsvorsorge und Impfungen für die Kinder vor. Viele Patienten kommen mit ihren Familienmitgliedern, die sie pflegen. Von 400 HIV Tests im Monat sind über 40 positiv, bei schwangeren Frauen liegt die Rate sogar bei 48%.
Das System der „Expert Clients“ an der Klinik ist, dass HIV infizierte Patienten ihrerseits Kranke beraten und sie unterstützen.
In Mankayane, einem Grenzgebiet zu Südafrika, erfolgte durch „Ärzte ohne Grenzen“ die Gründung einer Klinik nur für multiresistente Tuberkulose.
Das „Outreach Team“, so erzählt uns Dr. Marinho, fährt in einem Kombi über Land. Das Team besteht aus einer Krankenschwester, dem Sozialarbeiter und einem Fahrer.
Die Kranken werden zuhause behandelt, erhalten Medikamente, manchmal werden auch die sehr kleinen Häuser umgebaut, Fenster eingebaut, die für eine bessere Lüftungsmöglichkeit sorgen, denn Tuberkulose verbreitet sich in schlecht oder nicht gelüfteten Räumen besonders schnell.
Outreach Team heißt auch: ein Netzwerk aufbauen in ländlichen Gebieten!
Raphaela Marinho hatte an unserem Burggespräch ein sehr aufmerksames und bewegtes Publikum, das ihr mit herzlichem Applaus für ihren interessanten und eindringlichen Bericht dankte. Schnell fanden sich um die junge Ärztin nach dem Vortrag Schülerinnen und Schüler, die weiteres Interesse bekundeten und viel zu schnell musste Frau Marinho an den Bahnhof. Wir danken von Herzen für diesen Abend, der uns mit seinen Bildern und Worten noch lange nachklang.
vk (Dank der Notizen von vl)