Bleibt alles anders
Erneut liegt ein Jahr hinter uns – ein neues Schuljahrbuch erscheint. Doch Sie haben festgestellt, dass Sie in diesem Jahr kein gedrucktes Exemplar in den Händen halten, sondern unser Jahrbuch temporär in den Weiten des Internets sein Zuhause gefunden hat. Dies ist den besonderen Umständen geschuldet, ich denke, Sie alle wissen, was ich meine. Das Schuljahr 2019/20 wird sicherlich in die Annalen eingehen als merkwürdiges Jahr. Wir an unserer Schule haben vielleicht früher als viele andere Einrichtungen in Deutschland erste seismographische Erschütterungen durch das uns mittlerweile allen bekannte Corona-Virus erfahren müssen. Anfang des Jahres, als erste Meldungen über den Ausbruch eines neuen Virus in China über die Medien in Deutschland verbreitet wurden und die Gefahr noch relativ weit entfernt schien, mussten wir uns bereits aufgrund unserer chinesischen Schülerinnen und Schüler und unseres jährlichen China-Austausches mit der Thematik auseinandersetzen. Heimatbesuche „unserer Chinesen“ wurden aus Fürsorgegründen abgesagt, das Austauschprogramm in Rücksprache mit unserer Partnerschule für ein Jahr ausgesetzt. Trotz dieser Einschränkungen fühlten wir uns alle sicher und weit entfernt vom Epizentrum des Geschehens. Und dann überholten uns alle die Ereignisse. Das Virus verdeutlichte uns innerhalb weniger Wochen und Monate wie globalisiert unsere Welt heute ist. Die Epidemie wurde zur Pandemie und schneller als uns allen lieb war, waren wir alle nicht mehr bloß Beobachter, sondern Akteure auf dem Covid-19 Spielfeld.
Der Tiefpunkt aus unserer Sicht stellte sicher der 13. März dieses Jahres dar, als wir unsere Schule und den Internatsbetrieb nach Maßgabe der Behörden schließen mussten. Das fröhliche Szenario der Abreise, das wir sonst nur vor den Ferien kennen, wurde zu einer gespenstischen, beinahe surrealen Abreise. Die Klassenräume, die Internatsflure, der Schulhof und der Speisesaal lagen verlassen, stumm und völlig verwaist vor uns.
Doch mittlerweile ist das Leben zurückgekehrt. Wenngleich noch eingeschränkt und unter Einhaltung der behördlichen Vorgaben konnten wir unseren Schul- und Internatsbetrieb wieder „hochfahren“ und ich denke, ohne ein kleines bisschen Stolz verhehlen zu wollen, dass uns dies trotz der schwierigen Umstände gut gelungen ist. Dies belegen mir nicht zuletzt Ihre zahlreichen positiven Rückmeldungen, liebe Eltern.
In dieser Krise zeigt sich – wie in einem Brennglas – was unsere Gemeinschaft seit ihrem Bestehen auszeichnet. Gegründet während der Hochphase der napoleonischen Herrschaft über Europa erlebte und überlebte unser Haus Gründung und Untergang des deutschen Kaiserreiches, die unglückliche erste Demokratie auf deutschem Boden, Schrecken und Terror unter den Nationalsozialisten und schließlich die Entstehung der Bundesrepublik Deutschland. Trotz dieser unterschiedlichsten Systeme und daraus resultierenden Anforderungen blieben und bleiben wir uns im Kern – wie auch jetzt unter den Herausforderungen durch das Virus – treu: Es geht vor allem um ein empathisches Miteinander, in welchem unser oberstes Ziel, die Begleitung und bestmögliche Förderung der uns Anvertrauten in schulischer und menschlicher Hinsicht, Leitstern unseres täglichen Handelns war, ist und bleibt.
Bleibt alles anders, lautet daher in diesem Jahr das Motto unseres (Online-) Jahrbuches. In diesem möchten wir Sie wie gewohnt über Ereignisse des vergangenen Schuljahres informieren und Ihnen handelnde Persönlichkeiten unseres Schul- und Internatsbetriebes näherbringen und dabei auch einen intensiven Blick auf das „Corona-Halbjahr“ werfen. Dies alles in neuem Gewand bzw. über ein neues Medium.
Abschließend möchte ich die Gelegenheit nutzen, um noch einmal meinen Dank auszusprechen. Ich danke Ihnen, liebe Eltern, dass Sie uns in dieser schwierigen Zeit unterstützt und die Treue gehalten haben. Weiterhin gilt mein Dank unserer gesamten Belegschaft (Haus- und Hofpersonal, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer etc.), die (wie eigentlich immer) auch in diesen schwierigen Zeiten einen hervorragenden Job gemacht hat.
Nun bleibt mir nur noch, Ihnen allen viel Vergnügen bei der Lektüre zu wünschen. Bleiben Sie gesund!
Herzliche Grüße
Laura Lucius